Wertschätzung sieht anders aus

Titel - klatschende Hände auf dem Balkon

Wir waren sehr gut vorbereitet: Nach einer mitmachenden letzten Tarifrunde mit Streiks und einer Mitgliederbefragung war klar: 7 Prozent Erhöhungen der Tabelle fordern wir, wie auch die Verstetigung des Wahlmodells »Kohle oder Kanaren« und vieles mehr.

Dann kam die Pandemie und die Tarifwelt drehte sich in eine andere Richtung.

Zunächst sollte auf dringenden Wunsch der Arbeitgeber ein flächendeckender Kurzarbeitstarifvertrag her – doch dann kniffen die Arbeitgeber und sagten die Verhandlungen ab. Zugesagte Termine wurden ausgesetzt und letztlich verschoben.
 
In einem Klärungsgespräch im Mai stellen die Arbeitgeber ihre Sicht der Dinge klar:

  • 2020 ist ein sehr besonderes Jahr, das keine Spielräume für moderne Gestaltung des Tarifvertrages (Kohle oder Kanaren...) zulässt. Damit lehnten die Arbeitgeber es ab, über mehr als Geld zu reden.
  • Geld ist »eigentlich« auch nicht drin, nicht mal der Inflationsausgleich, denn Kurzarbeit, ein Rückgang an Aufträgen, ein länger anhaltender Lockdown erlauben keine Erhöhung der Gehälter.
  • Auch ein anderes Thema soll außen vor bleiben: Homeoffice. Vorab: Unsere Befragung hat ergeben, dass eine sehr große Anzahl von Beschäftigten verbindliche Regelungen für das Thema »Homeoffice/remote work/ortsunabhängige Arbeiten« möchte – mit anderen Worten einen Tarifvertrag. Diese Überlegung wurde mit folgender Begründung vom Tisch gewischt: Wir sind auch so glücklich (TÜV Hessen), Betriebsvereinbarung ortsflexibles Arbeiten ist eine der besten Regelungen auf dem Mitbestimmungsmarkt (TÜV NORD). Fazit der Arbeitgeber: Das brauchen wir nicht, weil haben wir schon.

Überlegungen zum Corona-Jahr 2020

Wir ließen uns nicht entmutigen und stellten folgende Überlegungen zum Corona-Jahr 2020 an:

  • Die Inflationsrate soll in die Tabelle fließen.
  • Die Geschäfte laufen an, viele haben Verluste, weil auch die Kurzarbeitsregelung Abschläge vom Gehalt bedeutet, die nicht ausgeglichen werden und sehr viele Kolleg*innen haben ihren Job z.T. unter fragwürdigen gesundheitsschädigenden Bedingungen ausgeübt. Viele noch unter dem Stress zusätzlicher Mehrarbeit. Das ist doch dem Arbeitgeber mindestens eine steuerbegünstigte Corona-Prämie in Höhe von 1.500 Euro wert – so unser Vorschlag.
  • Ende des Jahres wird nochmals Bilanz gezogen und bei guter Geschäftslage wird es einen tarifierten Nachschlag geben.
  • Die Laufzeit gilt für das Kalenderjahr 2020.

Was ist aktuell der Stand der Dinge?

Ja, die Arbeitgeber haben sich sehr kalorienschonend bewegt: Von Nichts als Ausgangspunkt soll nun doch eine Corona-Prämie in Höhe von 0,6 Prozent gezahlt werden. Das würde nach ihren Berechnungen sogar das Doppelte des aktuellen Inflationsausgleichs ausmachen. Die Prämie soll 350 Euro betragen.

Nachdem die TK schon aufstehen wollte um sich gegen diese Zumutung zu verwahren, stellten die Arbeitgeber eventuell noch eine zweite, später auszahlbare Corona-Prämie in Aussicht. Voraussetzung für die Zahlung ist ein nachprüfbarer Unternehmenserfolg am Ende des Jahres, der an einer Kennzahl gemessen wird.

Darüber sollen sich nun beide Parteien Gedanken machen und am 10. Juli wieder zu Verhandlungen treffen.

Einschätzung der Tarifkommission

Wir können keine Glaskugel lesen und wissen nicht, ob eine zweite Infektionswelle kommen wird.

Wir wissen allerdings,

  • dass die Kurzarbeit nachhaltig zurückgebaut wird,
  • dass die Produktion auch in den Krisenbereichen (Bildung und Fahrerlaubnisprüfung) stark anfährt,
  • dass massiv Mehrarbeit gefahren wird,
  • dass der TÜV auch in der Krisenzeit aus Corona Geld gemacht hat (App- und Maskenprüfung),
  • dass einzelne Unternehmen besser dastehen als 2019 (GRS und TÜV NORD Industrie Service) und Negativprognosen korrigiert werden (die schwarze Null oder die Gewinnzone kommt näher)
  • und dass kein Vorstand sich wegen der Krisendramatik das Gehalt vom Aufsichtsrat kürzen lässt.

Daher sagen wir ...

»In diesen Krisenzeiten drückt jedes Beifall-Klatschen auf Balkonen mehr Wertschätzung für die Arbeit der Beschäftigten in dieser harten Zeit aus, als
0,6 Prozent Corona-Prämie.«

Wir sind gespannt auf die weitere Bewegung am Verhandlungstisch und werden Euch informieren.

In der Zwischenzeit schickt doch gern Einschätzungen, Meinungen, Feedback, oder klassisch, Lob oder Tadel an die örtlichen VertreterInnen in der Tarifkommission.

Wir freuen uns auf Eure digitalen Überlegungen.

Eure Bundestarifkommission

 

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